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Gesetz­li­che Rege­lun­gen zu Sanierungsgewinnen

Überblick über die gesetzlichen Regelungen zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen

Es gibt in Deutschland eine lange Tradition der Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen. Nachdem die frühere Norm § 3 Nr. 66 EStG aufgehoben wurde, behalf sich die Sanierungspraxis mit dem so genannten Sanierungserlass vom 27. März 2003. Diesen hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs mit Beschluss vom 28. November 2016 für unanwendbar erklärt. Zu den Handlungsoptionen, Praxishinweisen und Hintergründen haben wir eine Sonderseite "Sanierungsgewinne und Sanierungserlass" veröffentlicht.


Überblick


1. Die neue Gesetzesregelung
2. Gesetzgebungsverfahren
3. Historischer Überblick zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen


1. Die neue Gesetzesregelung

Der vom Bundestag beschlossene Gesetzestext (in der Fassung der Drucksache 18/12128 vom 26. April 2017, die auch die Beschlüsse des Finanzausschusses enthält) lautet:

Änderung des Einkommensteuergesetzes

Es wird folgender § 3a EStG neu eingefügt:

"Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung im Sinne des Absatzes 2 (Sanierungsertrag) sind steuerfrei. Sind Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass nach Satz 1 steuerfrei, sind steuerliche Wahlrechte in dem Jahr, in dem ein Sanierungsertrag erzielt wird (Sanierungsjahr) und im Folgejahr im zu sanierenden Unternehmen gewinnmindernd auszuüben. Insbesondere ist der niedrigere Teilwert, der nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 und Nummer 2 Satz 2 angesetzt werden kann, im Sanierungsjahr und im Folgejahr anzusetzen.

(2) Eine unternehmensbezogene Sanierung liegt vor, wenn der Steuerpflichtige für den Zeitpunkt des Schuldenerlasses die Sanierungsbedürftigkeit und die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, die Sanierungseignung des betrieblich begründeten Schuldenerlasses und die Sanierungsabsicht der Gläubiger nachweist.

(3) Nicht abziehbare Beträge im Sinne des § 3c Absatz 4, die in Veranlagungszeiträumen vor dem Sanierungsjahr und im Sanierungsjahr anzusetzen sind, mindern den Sanierungsertrag. Dieser Betrag mindert nacheinander

1. den aufgrund einer Verpflichtungsübertragung im Sinne des § 4f Absatz 1 Satz 1 in den dem Wirtschaftsjahr der Übertragung nachfolgenden 14 Jahren verteilt abziehbaren Aufwand des zu sanierenden Unternehmens, es sei denn, der Aufwand ist gemäß § 4f Absatz 1 Satz 7 auf einen Rechtsnachfolger übergegangen, der die Verpflichtung übernommen hat und insoweit der Regelung des § 5 Absatz 7 unterliegt. Entsprechendes gilt in Fällen des § 4f Absatz 2,
2. den nach § 15a ausgleichsfähigen oder verrechenbaren Verlust des Unternehmers (Mitunternehmers) des zu sanierenden Unternehmens des Sanierungsjahrs,
3. den zum Ende des dem Sanierungsjahr vorangegangenen Wirtschaftsjahrs nach § 15a festgestellten verrechenbaren Verlust des Unternehmers (Mitunternehmers) des zu sanierenden Unternehmens,
4. den nach § 15b ausgleichsfähigen oder verrechenbaren Verlust der selben Einkunftsquelle des Unternehmers (Mitunternehmers) des Sanierungsjahrs; bei der Verlustermittlung bleibt der Sanierungsertrag unberücksichtigt,
5. den zum Ende des dem Sanierungsjahr vorangegangenen Jahrs nach §15b festgestellten verrechenbaren Verlust der selben Einkunftsquelle des Unternehmers (Mitunternehmers),
6. den nach § 15 Absatz 4 ausgleichsfähigen oder nicht abziehbaren Verlust des zu sanierenden Unternehmens des Sanierungsjahrs,
7. den zum Ende des dem Sanierungsjahr vorangegangenen Jahrs nach § 15 Absatz 4 festgestellten in Verbindung mit § 10d Absatz 4 verbleibenden Verlustvortrag, soweit er auf das zu sanierende Unternehmen entfällt,
8. den Verlust des Sanierungsjahrs des zu sanierenden Unternehmens,
9. den ausgleichsfähigen Verlust aus allen Einkunftsarten des Veranlagungszeitraums, in dem das Sanierungsjahr endet,
10. im Sanierungsjahr ungeachtet des § 10d Absatz 2 den nach § 10d Absatz 4 zum Ende des Vorjahrs gesondert festgestellten Verlustvortrag,
11. in der nachfolgenden Reihenfolge den zum Ende des Vorjahrs festgestellten und den im Sanierungsjahr entstehenden verrechenbaren Verlust oder die negativen Einkünfte
a) nach § 15a,
b) nach § 15b anderer Einkunftsquellen,
c) nach § 15 Absatz 4 anderer Betriebe und Mitunternehmeranteile,
d) nach § 2a,
e) nach § 2b,
f) nach § 23 Absatz 3 Satz 7 und 8,
g) nach sonstigen Vorschriften,
12. ungeachtet der Beträge des § 10d Absatz 1 Satz 1 die negativen Einkünfte nach § 10d Absatz 1 Satz 1 des Folgejahrs. Ein Verlustrücktrag nach § 10d Absatz 1 Satz 1 ist nur möglich, soweit die Beträge nach § 10d Absatz 1 Satz 1 durch den verbleibenden Sanierungsertrag im Sinne des Satzes 4 nicht überschritten werden,
13. den zum Ende des Vorjahrs festgestellten und den im Sanierungsjahr entstehenden
a) Zinsvortrag nach § 4h Absatz 1 Satz 5,
b) EBITDA-Vortrag nach § 4h Absatz 1 Satz 3. Die Minderung des EBITDA-Vortrags des Sanierungsjahres und der EBITDAVorträge aus vorangegangenen Wirtschaftsjahren erfolgt in ihrer zeitlichen Reihenfolge. Übersteigt der geminderte Sanierungsertrag nach Satz 1 die nach Satz 2 mindernden Beträge, mindern sich insoweit nach Maßgabe des Satzes 2 auch der verteilt abziehbare Aufwand, Verluste, negative Einkünfte, Zinsvorträge oder EBITDA-Vorträge einer dem Steuerpflichtigen nahestehenden Person, wenn diese die erlassenen Schulden innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor dem Schuldenerlass auf das zu sanierende Unternehmen übertragen hat und soweit der entsprechende verteilt abziehbare Aufwand, die Verluste, negativen Einkünfte, Zinsvorträge oder EBITDA-Vorträge zum Ablauf des Wirtschaftsjahres der Übertragung bereits entstanden waren. Der sich nach den Sätzen 2 und 3 ergebende Betrag ist der verbleibende Sanierungsertrag. Die nach den Sätzen 2 und 3 mindernden Beträge bleiben endgültig außer Ansatz und nehmen an den entsprechenden Feststellungen der verrechenbaren Verluste, verbleibenden Verlustvorträge und sonstigen Feststellungen nicht teil.

(4) Sind Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit nach § 180 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a oder b der Abgabenordnung gesondert festzustellen, ist auch die Höhe des Sanierungsertrags nach Absatz 1 Satz 1 sowie die Höhe der nach Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 und 13 mindernden Beträge gesondert festzustellen. Zuständig für die gesonderte Feststellung nach Satz 1 ist das Finanzamt, das für die gesonderte Feststellung nach § 180 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Abgabenordnung zuständig ist. Wurden verrechenbare Verluste und Verlustvorträge ohne Berücksichtigung des Absatzes 3 Satz 2 bereits festgestellt oder ändern sich die nach Absatz 3 Satz 2 mindernden Beträge, ist der entsprechende Feststellungsbescheid insoweit zu ändern. Das gilt auch dann, wenn der Feststellungsbescheid bereits bestandskräftig geworden ist; die Feststellungsfrist endet insoweit nicht bevor die Festsetzungsfrist des Einkommensteuerbescheids oder Körperschaftsteuerbescheids für das Sanierungsjahr abgelaufen ist.

(5) Erträge aus einer nach den §§ 286ff. der Insolvenzordnung erteilten Restschuldbefreiung, einem Schuldenerlass aufgrund eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplans zur Vermeidung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens nach den §§ 304ff. der Insolvenzordnung oder aufgrund eines Schuldenbereinigungsplans, dem in einem Verbraucherinsolvenzverfahren zugestimmt wurde oder wenn diese Zustimmung durch das Gericht ersetzt wurde sind, soweit es sich um etriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen handelt, ebenfalls steuerfrei, auch wenn die Voraussetzungen einer unternehmensbezogenen Sanierung im Sinne des Absatzes 2 nicht vorliegen. Absatz 3 gilt entsprechend.“

Dem § 3c EStG wird folgender Absatz 4 angefügt:

„(4) Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben, die mit einem steuerfreien Sanierungsertrag im Sinne des § 3a in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, dürfen unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum der Sanierungsertrag entsteht, nicht abgezogen werden. Satz 1 gilt nicht, soweit Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben zur Erhöhung von Verlustvorträgen geführt haben, die nach Maßgabe der in § 3a Absatz 3 getroffenen Regelungen entfallen. Zu den Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben im Sinne des Satzes 1 gehören auch Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Besserungsschein und vergleichbare Aufwendungen. Satz 1 gilt für Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben, die nach dem Sanierungsjahr entstehen, nur insoweit als noch ein verbleibender Sanierungsertrag im Sinne von § 3a Absatz 3 Satz 4 vorhanden ist. Wurden Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben im Sinne des Satzes 1 bereits bei einer Steuerfestsetzung oder einer gesonderten Feststellung nach § 180 Absatz 1 S Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung im Sinne des Absatzes 2 (Sanierungsertrag) sind steuerfrei. Sind Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass nach Satz 1 steuerfrei, sind steuerliche Wahlrechte in dem Jahr, in dem ein Sanierungsertrag erzielt wird (Sanierungsjahr) und im Folgejahr im zu sanierenden Unternehmen gewinnmindernd auszuüben. Insbesondere ist der niedrigere Teilwert, der nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 und Nummer 2 Satz 2 angesetzt werden kann, im Sanierungsjahr und im Folgejahr anzusetzen."

§ 52 EStG wird wie folgt geändert:
a) Nach Absatz 4 wird folgender Absatz 4a eingefügt:

„(4a) § 3a in der Fassung des Artikels ... des Gesetzes vom ... BGBl. I S. ...) [einsetzen: Ausfertigungsdatum und Fundstelle des vorliegenden Änderungsgesetzes] ist erstmals in den Fällen anzuwenden, in denen die Schulden ganz oder teilweise nach dem 8. Februar 2017 erlassen wurden. Satz 1 gilt bei einem Schuldenerlass nach dem 8. Februar 2017 nicht, wenn dem Steuerpflichtigen auf Antrag Billigkeitsmaßnahmen aus Gründen des Vertrauensschutzes für einen Sanierungsertrag auf Grundlage von § 163 Absatz 1 Satz 2 und den §§ 222, 227 der Abgabenordnung zu gewähren sind.“

b) Dem Absatz 5 wird folgender Satz angefügt:

„§ 3c Absatz 4 in der Fassung des Artikels ... des Gesetzes vom ... BGBl. I S. ...) [einsetzen: Ausfertigungsdatum und Fundstelle des vorliegenden Änderungsgesetzes] ist für Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einem Schuldenerlass nach dem 8. Februar 2017 anzuwenden, für den § 3a angewendet wird.“

Änderung des Körperschaftsteuergesetzes

§ 8 KStG wird wie folgt geändert:
a) Dem Absatz 8 wird folgender Satz angefügt:

„Kommt es bei einem Betrieb gewerblicher Art, der sich durch eine Zusammenfassung ergeben hat, innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nach der Zusammenfassung zur Anwendung des § 3a des Einkommensteuergesetzes, ist § 3a Absatz 3 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes entsprechend auf die in Satz 4 genannten Verlustvorträge anzuwenden.“

b) Dem Absatz 9 wird folgender Satz angefügt:

„Die §§ 3a und 3c Absatz 4 des Einkommensteuergesetzes sind entsprechend anzuwenden; § 3a Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes ist für die Kapitalgesellschaft anzuwenden.“

Dem § 8c KStG wird folgender Absatz 2 angefügt:

„(2) § 3a Absatz 3 des Einkommensteuergesetzes ist auf verbleibende nicht genutzte Verluste anzuwenden, die sich nach einer Anwendung des Absatzes 1 ergeben.“

Dem § 8d Absatz 1 KStG wird folgender Satz angefügt:

„Satz 8 gilt bei Anwendung des § 3a Absatz 3 des Einkommensteuergesetzes entsprechend.“

§ 15 Satz 1 KStG wird wie folgt geändert:
a) Der Nummer 1 werden folgende Sätze angefügt:

„Satz 1 steht einer Anwendung von § 3a des Einkommensteuergesetzes nicht entgegen. Der für § 3c Absatz 4 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes maßgebende Betrag ist der sich nach Anwendung von Nummer 1a ergebende verminderte Sanierungsertrag.“

b) Nach Nummer 1 wird folgende Nummer 1a eingefügt:

„1a. Auf einen sich nach § 3a Absatz 3 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes ergebenden verbleibenden Sanierungsertrag einer Organgesellschaft ist § 3a Absatz 3 Satz 2, 3 und 5 des Einkommensteuergesetzes beim Organträger anzuwenden. Wird der Gewinn des Organträgers gesondert und einheitlich festgestellt, gilt § 3a Absatz 4 des Einkommensteuergesetzes entsprechend. Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn die Voraussetzungen des § 14 Absatz 1 im Sanierungsjahr nicht vorliegen und das Einkommen der Organgesellschaft in einem innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Sanierungsjahr liegenden Veranlagungszeitraum dem Organträger gemäß § 14 Absatz 1 Satz 1 zugerechnet worden ist.“

In § 34 Absatz 1 KStG wird die Angabe „Veranlagungszeitraum 2016“ durch die Angabe „Veranlagungszeitraum 2017“ersetzt.

Änderung des Gewerbesteuergesetzes

Nach § 7a GewStG wird folgender § 7b eingefügt:

㤠7b Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags bei unternehmensbezogener Sanierung
(1) Die §§ 3a und 3c Absatz 4 des Einkommensteuergesetzes sind vorbehaltlich der nachfolgenden Absätze bei der Ermittlung des Gewerbeertrags entsprechend anzuwenden.
(2) Der nach Anwendung des § 3a Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes verbleibende geminderte Sanierungsertrag im Sinne des § 3a Absatz 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes mindert nacheinander
1. den negativen Gewerbeertrag des Sanierungsjahrs des zu sanierenden Unternehmens,
2. Fehlbeträge im Sinne des § 10a Satz 3 und
3. im Sanierungsjahr ungeachtet des § 10a Satz 2 die nach § 10a Satz 6 zum Ende vorangegangenen Erhebungszeitraums gesondert festgestellten Fehlbeträge; die in § 10a Satz 1 und 2 genannten Beträge werden der Minderung entsprechend aufgebraucht.
Ein nach Satz 1 verbleibender Sanierungsertrag mindert die Beträge nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 eines anderen Unternehmens, wenn dieses die erlassenen Schulden innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor dem Schuldenerlass auf das zu sanierende Unternehmen übertragen hat und soweit die entsprechenden Beträge zum Ablauf des Wirtschaftsjahres der Übertragung bereits entstanden waren. Der verbleibende Sanierungsertrag nach Satz 2 ist zunächst um den Minderungsbetrag nach § 3a Absatz 3 Satz 2 Nummer 13 des Einkommensteuerungsgesetzes zu kürzen. Bei der Minderung nach Satz 1 ist § 10a Satz 4 und 5 entsprechend anzuwenden. In Fällen des § 10a Satz 9 ist § 8 Absatz 9 Satz 9 des Körperschaftsteuergesetzes entsprechend anzuwenden. An den Feststellungen der vortragsfähigen Fehlbeträge nehmen nur die nach Anwendung der Sätze 1 und 2 verbleibenden Beträge teil.
(3) In den Fällen des § 2 Absatz 2 Satz 2 ist § 15 Satz 1 Nummer 1a des Körperschaftsteuergesetzes entsprechend anzuwenden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.“

§ 36 GewStG wird wie folgt geändert:

a) Nach Absatz 2b wird folgender Absatz 2c eingefügt:

„(2c) § 7b in der Fassung des Artikels ... des Gesetzes vom ... (BGBl. I S. ...) [einsetzen: Ausfertigungsdatum und Fundstelle des vorliegenden Änderungsgesetzes] ist erstmals in den Fällen anzuwenden, in denen die Schulden ganz oder teilweise nach dem 8. Februar 2017 erlassen wurden. Satz 1 gilt bei einem Schuldenerlass nach dem 8. Februar 2017 nicht, wenn dem Steuerpflichtigen auf Antrag Billigkeitsmaßnahmen aus Gründen des Vertrauensschutzes für einen Sanierungsertrag auf Grundlage von § 163 Absatz 1 Satz 2 und den §§ 222, 227 der Abgabenordnung zu gewähren sind.“

b) Der bisherige Absatz 2c wird Absatz 2d.

2. Gesetzgebungsverfahren

Gesetzgebungsmaterialien

Hintergrund

Am 27. Februar wurde nach einer Initiative von Nordrhein-Westphalen bereits ein Gesetzesvorschlag veröffentlicht, der an das Gesetzgebungsverfahren zur "Lizenzschranke" (Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen, BR Drs. 59/1/17) angehängt werden soll. Dem Vernehmen nach soll dieser so aber nicht Gesetz werden. Daher tagte am 8./9. März in Berlin eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Finanzverwaltung. Sie hatte das Ziel, einen Entwurf für eine gesetzliche Regelung zu formulierne und in den parlamentarischen Prozess einzubringen.

Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung (BT-Drs. 18/11531) eine schnelle Lösung zugesagt:

Die Bundesregierung wird der Bitte um Prüfung nachkommen. Sie teilt die Auffassung, dass dringender Handlungsbedarf besteht, um die mit dem Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 28. November 2016 Rechtsunsicherheiten bei der steuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen zu beseitigen.

Auf dem 14. Deutschen Insolvenzrechtstag am 30. März 2017 in Berlin hat Justizminister Heiko Maas in einer Rede bekräftigt, dass die Bundesregierung eine schnelle gesetzliche Lösung sucht:

Der Bundesfinanzhof hat uns noch eine weitere offene Baustelle im Sanierungsrecht aufgezeigt und bei der müssen wir schnell handeln. Wir können noch so lange in Brüsseler Verhandlungssälen sitzen und an wirkungsvollen Instrumenten für das Sanierungsrecht feilen – diese Mühen sind vergebens, wenn Sanierungserfolge im selben Zug durch Steuerlasten wieder aufgezehrt werden. Der Bundesfinanzhof hat einen Erlass aus dem Bundesfinanzministerium gekippt, wonach Sanierungsgewinne steuerfrei bleiben durften, oder die Steuer zumindest gestundet werden konnte. Seit diesem Urteil ist nicht mehr sicher, ob die Finanzbehörden solche Erleichterungen noch gewähren dürfen. Das kann Sanierungen verzögern, im schlimmsten Fall scheitern sie sogar daran. Es ist gut, dass die Länder hier schnell die Initiative ergriffen haben. Der Bundesrat hat eine Regelung vorgeschlagen. Die Bundesregierung wird diesen Vorschlag jetzt intensiv prüfen und alles dafür tun, damit das Problem schnell gelöst wird.

Den aktuellen Gesetzgebungsstand können Sie unter dem folgenden link im Dokumentations- und Informationssystem (DIP) des Deutschen Bundestages mitverfolgen.

Am 29. März 2017 eine Expertenanhörung vor dem Finanzausschuss des Bundestages statt. Mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen hat der Finanzausschuss des Bundestages am 26. April 2017 seine Beschlussempfehlung vorgelegt. Schon am 27. April 2017 hat der Bundestag den Gesetzentwurf in zweiter und dritter Lesung beschlossen. Nun muss der Bundesrat dem Gesetz zustimmen. Anschließend ist noch die "Freigabe" durch die Europäische Kommission erforderlich. Der Gesetzgeber muss sicherstellen, dass das Gesetzt auf europäischer Ebene nicht als verbotene Beihilfe qualifiziert wird.

Hier muss es schnell gehen, denn Gesetzesvorhaben enden automatisch mit Ende der Legislaturperiode. Aufgrund der Bundestagswahl im September muss der Gesetzentwurf daher noch vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedet werden. Es ist jedoch fraglich, wann die Europäische Kommission entscheiden wird. Daher hat sich der Gesetzgeber mit einem Kniff beholfen: Das Gesetz tritt erst in Kraft, wenn die Kommission ihr "ok" gegeben hat. Dies ist im Gesetzentwurf wie folgt geregelt:

"Die Artikel 2, 3 Nummer 1 bis 4 und Artikel 4 Nummer 1 bis 3 Buchstabe a treten an dem Tag in Kraft, an dem die Europäische Kommission durch Beschluss feststellt, dass die Regelungen der Artikel 2, 3 Nummer 1 bis 4 und Artikel 4 Nummer 1 bis 3 Buchstabe a entweder keine staatliche Beihilfen im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfen darstellen. Der Tag des Beschlusses der Europäischen Kommission sowie der Tag des Inkrafttretens werden vom Bundesministerium der Finanzen gesondert im Bundesgesetzblatt bekanntgemacht."

Der Bundesrat hat dem Gesetz in seiner Sitzung vom 2. Juni 2017 zugestimmt. In den Erläuterungen zur Tagesordnung hieß es hierzu:

Der Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat, dem Gesetz zuzustimmen. Der Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat ferner, eine Entschließung zu fassen. Die Empfehlungen im Einzelnen sind aus der Drucksache 366/1/17 ersichtlich.

3. Historischer Überblick zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen

Die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen ist kein neues Phänomen, sondern gehört seit jeher zur steuerrechtlichen Besteueerungstradition. Der erste maßgebliche Baustein hierfür war die Entscheidung des Reichsfinanzhofes (RFH) vom 30. Juni 1927 (Az. VI A 297/27, RFHE 21, 263). Dessen Leitsatz lautet:

Schließt ein Kaufmann mit seinen Geschäftsgläubigern einen Akkord, so ist die durch den Erlaß der Schulden eintretende Vermehrung seines Geschäftsvermögens nicht einkommensteuerpflichtig."

Im Urteilsfall hatte sich ein buchführender Kaufmann mit seinen Gläubigern auf einen Forderungsverzicht in Höhe von 75 % geeinigt. Die Vorinstanz beurteilte die dadurch eintretende Betriebsvermögensmehrung zunächst konssequent als steuerpflichtig. Dass der Forderungsverzicht dennoch keine Besteuerung zur Folge habe, begründete der RFH wie folgt:

"Bei einem Akkord geht der einzelne beteiligte Gläubiger davon aus, dass infolge des gemeinsamen Verzichts aller oder der Mehrzahl seiner Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen der Restbetrag seiner Forderungen mehr wert sein wird als die ursprüngliche ganze Forderung. Der Akkord ist im Grunde eine Vereinbarung zwischen den Gläubigern allein, die von dem Schuldner höchstens angeregt wird; erst seine Ausführung geshoeht durch Rechtsgeschäfte mit dem Gläubiger. Jeder Gläubiger sieht in dem Erlaß der anderen Gläubiger, unter Umständen auch in den Bürgschaften dritter Personen, die Gegenleistung für seinen eigenen Erlaß. Der Schuldner erlangt seine formelle Vermögensvermehrung als Ergebnis der Verienbarungen anderer Personen, also infolge eines Rechtsvorganges, der schon deshalb außerhalb seines Geschäftsbetriebs liegt, weil er an ihm nicht beteiligt ist."

Der Bundesfinanzhof (BFH) griff die Rechtsprechung des RFH später auf. Grundlegend sein Urteil vom 27. September 1968, VI R 41/66:

1. Ein Sanierungsgewinn ist auch einkommensteuerlich nicht als Gewinn anzusetzen.
2. Er führt nicht zum Verbrauch eines vorher oder gleichzeitig angefallenen Verlustes.

In den Urteilsgründen führte der BFH aus:

Wie der große Senat in dem Beschluß Gr. S. 2/67 vom 15. Juli 1968 (BFH 93, 75, BStBl II 1968, 666) ausgeführt hat, kann ein nach § 11 Nr. 4 KStG körperschaftsteuerfreier Sanierungsgewinn "weder mit einem ohne ihn in demselben Veranlagungszeitraum entstehenden Verlust noch mit einem abzugsfähigen Verlust aus einem früheren Veranlagungszeitraum" verrechnet werden. Die Grundsätze, die der Große Senat hier entwickelt hat und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, müssen auch für einen der Einkommensteuer nicht unterliegenden Sanierungsgewinn gelten. Der Große Senat beschränkt seine Ausführungen zwar auf das Körperschaftsteuerrecht (das Verhältnis von § 11 Nr. 4 KStG zu § 10 d EStG in Verbindung mit §§ 5, 6 KStG und § 15 KStDV). Es ist aber nicht einzusehen, warum für das Einkommensteuerrecht etwas anderes gelten sollte. Die Gründe, aus denen nach der bisherigen Rechtsprechung der Verbrauch des Verlustes durch einen Sanierungsgewinn bejaht wurde, sind hier wie dort die gleichen. Hat der Große Senat ihre Berechtigung für den Fall des Zusammentreffens von Verlusten bei Kapitalgesellschaften verneint, so kann nach Ansicht des Senats die Frage für den Fall des Zusammentreffens von Verlusten und Sanierungsgewinnen bei natürlichen Personen nicht anders beantwortet werden. Abgesehen davon, daß es keineswegs bedenkenfrei erscheint, beim Zusammentreffen von Verlusten und Sanierungsgewinnen grundsätzlich von einer Verlustübernahme durch die auf ihre Forderungen verzichtenden Gläubiger auszugehen, führt die bisherige Rechtsprechung zu dem unbefriedigenden Ergebnis, daß der Verbrauch des Verlustes durch den Sanierungsgewinn keinesfalls immer eintritt, sondern - dem Grundsatz der Abschnittbesteuerung entsprechend - davon abhängt, daß der Sanierungsgewinn in dem Verlustjahr selbst oder in den Jahren entstanden ist, in denen der Verlust "abgezogen" werden könnte, während es zu keinem oder nur teilweisen Verbrauch kommt, wenn der Verlust ganz oder teilweise vor dem Entstehen des Sanierungsgewinns ausgeglichen oder abgezogen werden konnte.

Zuzugeben ist allerdings, daß zwischen dem Körperschaftsteuerrecht und dem Einkommensteuerrecht insofern ein Unterschied besteht, als die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns nur in jenem, nicht aber auch in diesem ausdrücklich geregelt ist. Dieser Unterschied betrifft indessen nicht die Frage des Verbrauchs; wohl aber stellt sich die Frage, ob denn auch im Einkommensteuerrecht der Sanierungsgewinn tatsächlich als steuerfrei anzusehen sei.

Für das Einkommensteuerrecht fehlt, wie gesagt, eine ausdrückliche Befreiungsvorschrift. Der RFH hat den Sanierungsgewinn gleichwohl um deswillen als nicht einkommensteuerpflichtig angesehen, weil die Sanierung einen außerbetrieblichen Vorgang darstelle und der Steuerpflichtige den erzielten außerbetrieblichen Gewinn gewissermaßen eingelegt habe. Wenngleich er später von der Auffassung eines betriebsfremden Vorgangs abgerückt ist, hat er doch an der Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns festgehalten, weil dieser nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der werbenden Tätigkeit des "sanierten" Steuerpflichtigen stehe. Der für die Körperschaftsteuer zuständige Senat des RFH hat diese Ansicht nicht geteilt. Das ist der Grund für die ausdrückliche Regelung der Körperschaftsteuerfreiheit des Sanierungsgewinns durch § 11 Nr. 4 KStG gewesen.

Wie der erkennende Senat bereits in seinen Urteilen VI 35/61 U vom 4. August 1961 (BFH 73, 685, BStBl III 1961, 516) und VI 117/62 U (a. a. O.) dargelegt hat, bestehen in der Tat Bedenken gegen die Auffassung, daß die Sanierung einen außerbetrieblichen Vorgang bilde: Was auf Seiten der Gläubiger zweifelsfrei einen betrieblichen Vorgang darstellt, kann nicht auf Seiten des Schuldners ein außerbetrieblicher Vorgang sein.

Nach nochmaliger Prüfung dieser Frage hält der Senat die Ansicht, daß die Sanierung ein außerbetrieblicher Vorgang sei, nicht nur für bedenklich, sondern für unzutreffend. Wenn auch das Bestreben, dem Schuldner persönlich zu helfen, mit ein Grund für den Entschluß der Gläubiger sein mag, auf ihre Forderungen ganz oder zum Teil zu verzichten, so kann doch nicht daran vorbeigegangen werden, daß die geschäftlichen Interessen hier wie dort die entscheidende Rolle spielen, was sich nicht zuletzt auch in dem - selbst nach der Rechtsprechung des RFH vorausgesetzten - Erfordernis für die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns, nämlich der in bezug auf das Unternehmen zu beurteilenden Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungswürdigkeit, widerspiegelt.

Ist die Sanierung ein betrieblicher Vorgang, so ist der durch sie erzielte Gewinn (Wegfall der erlassenen Schulden und entsprechende Erhöhung des beim Betriebsvermögensvergleich anzusetzenden Endvermögens) im Rahmen des Gewerbebetriebs angefallen und nicht - jedenfalls nicht mit der vom RFH gegebenen Begründung - einkommensteuerfrei. Trotzdem hält es der Senat für nicht vertretbar, allein um dieses Wechsels der Beurteilung willen den Sanierungsgewinn als nicht mehr steuerfrei anzusehen (vgl. auch das Urteil des BFH I 359/60 S vom 25. Oktober 1963, BFH 78, 308, BStBl III 1964, 122). Wenn auch § 11 Nr. 4 KStG die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns nur für die Körperschaftsteuer ausspricht und wie bereits dargelegt darauf beruht, daß mit ihm das nach der Rechtsprechung des BFH für die Einkommensteuer bestehende Ergebnis der Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns auch für die Körperschaftsteuer übernommen werden sollte, läßt die Regelung des § 11 Nr. 4 KStG doch eindeutig erkennen, daß der Gesetzgeber die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns für sachgerecht hält, und zwar gerade auch dann, wenn der Sanierung, wie es bei den von der Körperschaftsteuer erfaßten Kapitalgesellschaften der Fall ist, nur oder doch überwiegend betriebliche Erwägungen zugrunde liegen. Es mag bei allen Vorbehalten, mit denen man gerade auf dem Gebiet des Steuerrechts der Möglichkeit eines Gewohnheitsrechts begegnen muß (vgl. die Urteile des BFH II 28/58 U vom 18. Februar 1959, BFH 68, 462, BStBl III 1959, 176, und VI 90/63 U vom 29. Januar 1965, BFH 82, 8, BStBl III 1965, 251), nahe liegen, die auf Richterrecht beruhende Anerkennung der Einkommensteuerfreiheit des Sanierungsgewinns, die auch von der Praxis und dem Schrifttum vorbehaltlos übernommen worden ist, als eine lang andauernde Übung nicht nur der Steuergerichte, sondern aller Rechtsgenossen anzusehen, der die Überzeugung der Rechtsgeltung zugrunde liegt und die daher als Gewohnheitsrecht angesprochen werden kann (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1960, S. 269). Auf jeden Fall aber wird man den in § 11 Nr. 4 KStG ausgesprochenen Grundsatz auch für das Einkommensteuerrecht anwenden können, weil die Gestaltung des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts wie übrigens auch des Gewerbesteuerrechts zeigt, daß die entscheidenden Grundsätze der Gewinnermittlung übereinstimmen, und weil die Regelung des § 11 Nr. 4 KStG keine Durchbrechung dieser Grundsätze hat bringen, sondern gerade der Vereinheitlichung hat dienen sollen.

Eine detaillierte Aufarbeitung der historischen Rechtsentwicklung finden Sie in der von Sebastian Pohl veröffentlichten Analyse "Die steuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen", Darmstadt 2009. Lesenswert auch Seer, Insolvenz, Sanierung und Ertragsteuern - verfassungs- und europarechtliche Überlegungen, FR 2014, 721.


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27. September 2023 - Seite 1 von 1