Schlussanträge in Luxemburg: Generalanwalt sieht in § 8 Abs. 1a KStG keine verbotene Beihilfe
§ 8c KStG kann man durchaus als eines der Sorgenkinder im Sanierungssteuerrecht bezeichnen. Regelmäßig sind die Vorschriften zur Verlustverrechnung Gegenstand von Urteilen, die hierin eine Verfassungswidrigkeit oder auch eine verbotene europäische Biehilfe sehen. Genauso häufig waren die Gesetzesänderungen, um die Verlustverrechnung zu beschränken (man denke noch an die alten Mantelkauf-Zeiten), zu reparieren oder zu ergänzen (so zuletzt durch die Einführung des § 8d KStG).
Die Sanierungsklausel des § 8 Abs. 1a KStG – was regelt er?
§ 8 Abs. 1a KStG lautet:
Für die Anwendung des Absatzes 1 ist ein Beteiligungserwerb zum Zweck der Sanierung des Geschäftsbetriebs der Körperschaft unbeachtlich. Sanierung ist eine Maßnahme, die darauf gerichtet ist, die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu verhindern oder zu beseitigen und zugleich die wesentlichen Betriebsstrukturen zu erhalten.
Die Erhaltung der wesentlichen Betriebsstrukturen setzt voraus, dass
1. die Körperschaft eine geschlossene Betriebsvereinbarung mit einer Arbeitsplatzregelung befolgt oder
2. die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen der Körperschaft innerhalb von fünf Jahren nach dem Beteiligungserwerb 400 Prozent der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet; § 13a Absatz 1 Satz 3 und 4 und Absatz 4 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes gilt sinngemäß; oder
3. der Körperschaft durch Einlagen wesentliches Betriebsvermögen zugeführt wird. Eine wesentliche Betriebsvermögenszuführung liegt vor, wenn der Körperschaft innerhalb von zwölf Monaten nach dem Beteiligungserwerb neues Betriebsvermögen zugeführt wird, das mindestens 25 Prozent des in der Steuerbilanz zum Schluss des vorangehenden Wirtschaftsjahrs enthaltenen Aktivvermögens entspricht. 3Wird nur ein Anteil an der Körperschaft erworben, ist nur der entsprechende Anteil des Aktivvermögens zuzuführen. Der Erlass von Verbindlichkeiten durch den Erwerber oder eine diesem nahestehende Person steht der Zuführung neuen Betriebsvermögens gleich, soweit die Verbindlichkeiten werthaltig sind. 5Leistungen der Kapitalgesellschaft, die innerhalb von drei Jahren nach der Zuführung des neuen Betriebsvermögens erfolgen, mindern den Wert des zugeführten Betriebsvermögens. Wird dadurch die erforderliche Zuführung nicht mehr erreicht, ist Satz 1 nicht mehr anzuwenden.Keine Sanierung liegt vor, wenn die Körperschaft ihren Geschäftsbetrieb im Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs im Wesentlichen eingestellt hat oder nach dem Beteiligungserwerb ein Branchenwechsel innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren erfolgt
Grundsätzlich führen Anteilsübertragungen zum anteiligen Verlust von Verlustvorträgen, wenn innerhalb von 5 Jahren mehr als 25 % der Anteile übertragen werden. Werden mehr als 50 % übertragen, entfallen die Verlustvorträge sogar vollständig. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber den früher verbreiteten Handel mit Verlustmänteln eindämmen.
Der Untergang des künftigen Steuersparpotentials, welches in Verlustvorträgen steckt, mindert den Wert eines Unternehmens jedoch ganz erheblich. Dies traf vor allem Unternehmen, die zur Sanierung auf einen neuen Kapitalgeber angewiesen waren. Regelmäßig liegt dann eine niedrige Unternehmensbewertung vor, so dass die schädlichen Beteiligungsquoren schnell erreicht werden. Oftmals ist eine komplette Übernahme, mindestens jedoch die Kontrollmehrheit, auch konkretes Ziel um die weiter erforderlichen Sanierungs- und Investitionsbeiträge zu rechtfertigen.
Daher wurde § 8c KStG in der letzten Finanzkrise um eine so genannte «Sanierungsklausel» ergänzt.
EU-Kommission: Verbotene Beihilfe
DIE EU-Kommission sah nicht nur in der Ausnahmevorschrifte des § 8 Abs. 2 KStG, sondern auch in diesem § 8c Abs. 1a KStG eine verbotene Beihilfe. Auf der Internetseite der EU finden Sie den Beschluss der EU-Kommission vom 26. Januar 2011 «über die staatliche Beihilfe Deutschlands C 7/10 (ex CP 250/09 und NN 5/10) „KStG, Sanierungsklausel“.
Klagen und Wehklagen
Gegen diese Entscheidung hatte die Bundesrepublik geklat und eine bittere Niederlage einstecken müssen: Ihre Klage war um einen Tag verspätet und damit unzulässig. Die Hoffnung der Steuerpflichtigen ruht seitem auf den insgesamt 14 Klagen von Unternehmen, die ebenfalls Klage vor dem EuG (dem europäischen Gericht erster Instanz) eingereicht hatten.
Doch auch hier wurden die Steuerpflichtigen zunächst enttäuscht: In zwei ersten Entscheidung bestätigte das EuG die Sichtweise der EU-Kommission: § 8 Abs. 1a KStG stelle eine verbotene Beihilfe dar.
Das aktuelle Verfahren «Heitkamp BauHolding»
Eine Klägerin die «Heitkamp BauHolding GmbH» ist heute insolvent. Die Problematik um die Möglichkeit zur steuerpsarenden Verlustverrechnung dürfte dabei eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben. Die Tageszeitung «Der Westen» berichtet am 22. November 2011: «Die Gründe für die Insolvenz bleiben für Außenstehende schleierhaft. Laut Unternehmen gibt es immer noch „erhebliche Altlasten“ aus der Insolvenz der Bergbau-Tochter Deilmann-Haniel aus dem Jahr 2007. Das Unternehmen darf nach einem neuen Steuerrecht Gewinne und Verluste nicht mehr so wie bisher verrechnen.. Immerhin: Es gelang dem Insolvenzverwalter Dirk Andres die Tochtergesellschaften zu veräußern und die über 1.000 Arbeitsplätze zu erhalten. Er führt die Klage nunmehr fort.
Nach der mündlichen Verhandlung am 19. Oktober 2017 hat der schwedische Generalanwalt am EuGH, Nils Wahl, seine Schlussanträge vorgelegt.
Die Kernaussagen der Schlussanträge
Generalanwalt Nils Wahl kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass es sich bei § 8c Abs. 1a KStG nicht um eine verbotene Beihilfe handelt!
Hintergrund der Diskussion ist seit jeher die richtige Vergleichsgröße. Denn eine verbotene Beihilfe stellt folgende Frage: Werden bestimmte Unternehmen vor anderen bevorzugt? Solche Bevorzugungen durch staatliche Stellen sind unter dem Blickwinkel eines freien Marktes unerwünscht, wenn sie Auswirkungen auf den Wettbewerb der Unternehmen haben.
Generalanwalt Wahl folgt nun vielen Stimmen aus der Literatur: Vergleichsmaßstab sei der Grundfall, nachdem Unternehmen ihre Verluste vortragen können. Damit stellt die Verlustabzugsbeschränkung des § 8c Abs. 1 KStG eine Ausnahme dar. § 8c Abs. 1a KStG stellt hingegen «nur» den Ausgangszustand (Abzugsmöglichkeit) wieder her. Damit fehle es an der erforderlichen «Selektivität», um eine verbotene Beihilfe zu begründen.
Die EU-Kommission und auch der EuG hatten hingegen die eingeschränkte Verlustnutzung nach § 8c Abs. 1 KStG als Grundfall angesehen. Von dieser Ausgangsbasis aus sahen sie in § 8c Abs. 1a KStG eine Ausnahme, die nur bestimmten Unternehmen zu Gute komme. Dies wäre dann geeignet, eine verbotene Behilfe zu begründen.
Ausblick
Die grundsätzliche Frage, welches der richtige Referenzrahmen ist, spielt für zahlreiche Sanierungsthemen eine große Rolle. Dies betrifft nicht nur weitere Fragen rund um die Nutzung von Verlustvorträgen. Auch der Sanierungserlass (und seine gesetzliche Nachfolgeregelung) wird von der EU-Kommission kritisch beäugt, da er – je nach Sichtweise – nur bestimmten Unternehmen staatliche Vorteile gewährt.
Zunächst war zu befürchten, dass sich die Entscheidung des EuGH an denen des EuG orietieren wird. Die Schlussanträge des Generalanwalts Wahl haben die Karten neu gemischt. In jedem Fall wird der EuGH als letzte Instanz für eine lange vermisste Klarheit sorgen. Es bleibt zu wünschen, dass die Entscheidung darüber hinaus auch wichtige Sanierungsinstrumente im deutschen Sanierungssteuerrecht neu beleben wird.