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EuGH § 8c Abs. 1a KStG kei­ne ver­bo­te­ne Beihilfe!

Es ist die lang erhoffte Sensation. Der EuGH hat die EU-Kommission in die Schranken gewiesen: Die Sanierungsklausel § 8c Abs. 1a KStG stellt keine verbotene Beihilfe dar!
Der Fall ist altbekannt. "Heitkamp Bauholding" - hier hat sich die Hartnäckigkeit des Insolvenzverwalters Dr. Dirk Andres ausgezahlt.

Hintergrund: Mantelkauf

Früher konnte man GmbH-Mäntel mit hohen Verlustvorträge erwerben und mit einem neuen Geschäftsbetrieb ausstatten. Dies führte dazu, dass Gewinne zunächst verrechnet wurden und keine Steuern zu zahlen waren. Diesen so genannten "Mantelkäufen" hat der Gesetzgeber mit § 8c KStG den Boden entzogen.

Seitedem gilt: Werden innerhalb von 5 Jahren mehr als 25 % der Anteile übertragen, gehen die Verlustvorträge in der Höhe des prozentualen Anteilsübergangs unter (37 % Anteilsübergang reduziert die Verlustvorträge also um 37 %). Werden aber mehr als 50 % übertragen, gehen die Verlustvorträge vollständig unter. Übertragungen bis zu 25 % sind unschädlich.

Nun ist die Beteiligung eines neuen Investors eine klassische Sanierungsmaßnahme. Ebenso sorgt die weitere Nutzbarkeit von Verlustvorträgen oftmals dafür, dass es in Sanierungsfällen überhaupt einen Käufer gibt, der das Unternehmen erwerben will. Daher schuf der Gesetzgeber mit § 8c Abs. 1a KStG eine spezielle Sanierungsklausel:

Für die Anwendung des Absatzes 1 ist ein Beteiligungserwerb zum Zweck der Sanierung des Geschäftsbetriebs der Körperschaft unbeachtlich. Sanierung ist eine Maßnahme, die darauf gerichtet ist, die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu verhindern oder zu beseitigen und zugleich die wesentlichen Betriebsstrukturen zu erhalten.

Die Erhaltung der wesentlichen Betriebsstrukturen setzt voraus, dass

1. die Körperschaft eine geschlossene Betriebsvereinbarung mit einer Arbeitsplatzregelung befolgt oder
2. die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen der Körperschaft innerhalb von fünf Jahren nach dem Beteiligungserwerb 400 Prozent der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet; § 13a Absatz 1 Satz 3 und 4 und Absatz 4 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes gilt sinngemäß; oder
3. der Körperschaft durch Einlagen wesentliches Betriebsvermögen zugeführt wird. Eine wesentliche Betriebsvermögenszuführung liegt vor, wenn der Körperschaft innerhalb von zwölf Monaten nach dem Beteiligungserwerb neues Betriebsvermögen zugeführt wird, das mindestens 25 Prozent des in der Steuerbilanz zum Schluss des vorangehenden Wirtschaftsjahrs enthaltenen Aktivvermögens entspricht. Wird nur ein Anteil an der Körperschaft erworben, ist nur der entsprechende Anteil des Aktivvermögens zuzuführen. Der Erlass von Verbindlichkeiten durch den Erwerber oder eine diesem nahestehende Person steht der Zuführung neuen Betriebsvermögens gleich, soweit die Verbindlichkeiten werthaltig sind. Leistungen der Kapitalgesellschaft, die innerhalb von drei Jahren nach der Zuführung des neuen Betriebsvermögens erfolgen, mindern den Wert des zugeführten Betriebsvermögens. Wird dadurch die erforderliche Zuführung nicht mehr erreicht, ist Satz 1 nicht mehr anzuwenden.

Keine Sanierung liegt vor, wenn die Körperschaft ihren Geschäftsbetrieb im Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs im Wesentlichen eingestellt hat oder nach dem Beteiligungserwerb ein Branchenwechsel innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren erfolgt.

Die Vorgeschichte

Am 26. Januar 2011 hatte die EU-Kommission beschlossen, dass § 8c Abs. 1a KStG nicht mit Art. 107, 108 Abs. 2 AEUV vereinbar sei. Es handele sich um eine verbotene Beihilfe (Beschluss der Kommission vom 26.1.2011 über die staatliche Beihilfe Deutschlands, C 7/2010 (ex CP 250/2009 und NN 5/2010), "KStG, Sanierungsklausel"). Die entscheidende Begründung findet sich in Randziffer 22:

Nach § 8c (1) KStG kann ein Unternehmen keinen Verlustvortrag vornehmen, wenn mehr als die Hälfte der Anteile übertragen werden, es sei denn, die Sanierungsklausel ist anwendbar. Somit besagt die allgemeine Regel, dass bei einem wesentlichen Anteilseignerwechsel der Verlustvortrag untergeht. Die bestehende Sanierungsklausel ist daher die Ausnahme zur allgemeinen Regel.

Im Beihilfeverfahren wies die Bundesrepublik Deutschland unter anderem darauf hin, dass § 8c Abs. 1a KStG eine allgemeine Maßnahme sei. Sie kann von allen Unternehmen unabhängig von deren Zugehörigkeit zu einer bestimmten Region, einem Produktionszweig oder Unternehmensgröße genutzt werden. Potentiell kann jedes Unternehmen ohne eigenen Einfluss in finanzielle Schwierigkeiten geraten und damit für die Anwendung der Regelung in Betracht kommen. Die Folge: "Fehlende Selektivität". Eine unzulässige Beihilfe liegt nämlich nur dann vor, wenn ein Staat bestimmte Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen bevorzugt und somit Einfluss auf das freie Spiel der Marktkräfte nimmt. Dies ergibt sich aus Art. 107 AEUV:

Soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

Der weitere Fortgang ist bekannt: Die Klage der Bundesrepublik Deutschland wurde einen Tag zu spät erhoben und war damit unzulässig. Dennoch hatten mehrere Unternehmen geklagt. Denn bei einer unzulässigen Beihilfe ist der Staat verpflichtet, diese rückgängig zu machen. Dabei gilt das Prinzip des "effet utile": Weder eine verbindliche Auskunft, noch Bestandskraft, Verjährung oder Vertrauen in größtmöglicher Form können verhindern, dass der erlangte Vorteil rückgängig gemacht werden muss.

Im Jahr 2016 kam es dann zu ersten Urteilen des "Gerichts der Europäischen Union" (EuG), der ersten Instanz der europäischen Gerichtsbarkeit. Die Unternehmen verloren ihre Klagen. Die Sichtweite der EU-Kommission wurde bestätigt: Es ist eine selektive Bevorzugung derjenigen Unternehmen, die in eine Krise geraten.

Die Entscheidung des EuGH: § 8c Abs. 1a KStG keine verbotene Beihilfe!

Die Entscheidung hatte sich angekündigt, denn der Generalanwalt war in seiner empfehlenden Stellungnahme ebenfalls davon ausgegangen, dass keine verbotene Beihilfe gegeben sei. Wir hatten hierzu am 18. Feburar 2018 berichtet.

Die Leitsätze 2 und 3 des Urteils (EuGH (Zweite Kammer), Urteil vom 28. Juni 2018, C-203/16 P):

2. Die Nrn. 2 und 3 des Tenors des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 4. Februar 2016, Heitkamp BauHolding/Kommission (T‑287/11, EU:T:2016:60), werden aufgehoben.

3. Der Beschluss 2011/527/EU der Kommission vom 26. Januar 2011 über die staatliche Beihilfe Deutschlands C 7/10 (ex CP 250/09 und NN 5/10) „KStG, Sanierungsklausel“ wird für nichtig erklärt.

Die entscheidenden Punkte aus den Urteilsgründen:

Rz. 103: Wie auch der Generalanwalt in Nr. 109 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, geht jedoch aus der in den Rn. 90 bis 93 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass die Selektivität einer steuerlichen Maßnahme anhand eines Referenzsystems, das aus einigen Bestimmungen besteht, die aus einem breiteren rechtlichen Rahmen künstlich herausgelöst wurden, nicht zutreffend beurteilt werden kann. Durch den Ausschluss der allgemeinen Regel des Verlustvortrags von dem im vorliegenden Fall maßgebenden Referenzsystem hat das Gericht somit dieses System offensichtlich zu eng definiert.

Rz. 106: Nach alledem ist der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes von HBH begründet, ohne dass insoweit die übrige zu seiner Stützung vorgebrachte Argumentation geprüft zu werden braucht. Ferner ist festzustellen, dass das Gericht auf der Grundlage seiner rechtsfehlerhaften Würdigung, wonach die Kommission mit ihrer Feststellung, dass das im vorliegenden Fall für die Beurteilung des selektiven Charakters der streitigen Maßnahme maßgebende Referenzsystem allein aus der Regel des Verfalls von Verlusten bestehe, keinen Fehler begangen habe, das weitere Vorbringen von HBH geprüft hat, mit dem zum einen das Fehlen eines prima facie selektiven Charakters der streitigen Maßnahme und zum anderen ihre Rechtfertigung mit der Natur und dem Aufbau des Steuersystems dargetan werden sollte.

Ausblick und Einschätzung

Das Urteil ist eine Sensation. Zum einen herrscht nach vielen Jahren der Rechtsunsicherheit nun endlich Gewissheit. Allerdings wird man sich erst einmal wieder auf die nun wieder möglichen Maßnahmen einstellen müssen. § 8c Abs. 1a KStG steht noch im Gesetz. § 34 Abs. 6 KStG hatte nur seine Anwendbarkeit ausgesetzt. Diese Aussetzung erlischt mit Rechtskraft der EuGH-Entscheidung. § 8c Abs. 1a KStG kann dann auf alle noch nicht bestandskräftigen Sachverhalte angewendet werden. Hier gilt das "effet utile"-Prinzip leider nicht zugunsten des Steuerpflichtigen. Wer versäumt hat, seinen Fall offen zu halten, geht leer aus.

Spannend wird aber auch, wie sich dieses Urteil auf die weitere Beihilfe-Diskussion auswirken wird. So steht die gesetzliche Regelung zur Kodifizierung des Sanierungserlasses unter dem Vorbehalt der beihilferechtlichen Freigabe. Hier gibt es ähnliche Fragen. Es ist zu hoffen, dass dies den ersehenten Durchbruch bringt. Denn zuletzt schwanden die Hoffnungen auf eine Freigabe aus Brüssel zusehends.

Quellen

Die Regelung, um die es hier geht ist § 8c Abs. 1a KStG. Die Anwendungsregelung finden Sie in § 34 Abs. 6 KStG.

Das Urteil im Volltext finden Sie auf der Internetseite "Curia" des Europäischen Gerichtshofs: EuGH (Zweite Kammer), Urteil vom 28. Juni 2018, C-203/16 P

Dem zugrunde liegen die Schlussanträge des Generalanwalts Nils Wahl vom vom 20. Dezember 2017(1).

Verfügbar ist auch der Rechtsmittelantrag des Insolvenzverwalters vom 12. April 2016: EuGH (Zweite Kammer), Urteil vom 28. Juni 2018, C-203/16 P

Den Volltext der Vorinstanz finden Sie hier: EuG (Neunte Kammer), Urteil vom 4. Februar 2016, T-287/11


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27. September 2023 - Seite 1 von 1