Droht das Ende der steuerlichen Berücksichtigung von Restrukturierungsrückstellungen? Die Finanzverwaltung scheint diese Meinung seit kurzem verstärkt zu verfolgen, wie auch ein Aufsatz von zwei Autoren aus der Finanzverwaltung zeigt. Worum geht es?
Rückstellungsbildung
Handelsbilanz
Nach § 249 HGB sind in der Handelsbilanz zwingend Rückstellungen zu bilden, wenn die entsprechende Ausgabe zu erwarten ist, aber Höhe und Zeitpunkt noch nicht konkret feststehen (Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten). Dies betrifft auch Kosten, die im Zuge von Restrukturierungsmaßnahmen anfallen. Oftmals soll der «turnaournd» durch Einsparungen im Personalbereich erreicht oder unterstützt werden. Damit einher geht ein in der Regel ein Sozialplan (§§ 111, 112 BetrVG), der die wirtschaftlichen Nachteile für die Arbeitnehmer ausgleichen oder mindern soll. Es werden also verschiedene Maßnahmen und Leistungen vereinbart, deren Kosten künftig anfallen werden – ein klassisches Beispiel für Restrukturierungsrückstellungen.
Steuerbilanz
Diese Rückstellungen sind nach § 5 Abs. 1 und 4a EStG grundsätzlich auch in der Steuerbilanz zu bilden. Die Bewertung der Höhe nach erfolgt nach § 253 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 HGB und den steuerlichen Normen des § 6 Abs. 1 Nr. 3, 3a sowie des § 6a EStG. In Abschnitt R 5.7 Abs. 9, 5 und 6 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) hat die Finanzverwaltung näher ausgeführt, unter welchen Kriterien ein steuerlicher Ansatz zu erfolgen hat.
Aktuell: Kontroverse Diskussion
Zunächst hatten Ziegler/Renner in DStR 2015, 1264 einen grundlegenden Aufsatz veröffentlicht, den sie mit «Droht das Ende der Restrukturierungsrückstellungen in der Steuerbilanz?» betiteln. Sie sind als Hauptsachgebietsleiterin und A13-Prüfer in der Betriebsprüfungs-Hauptstelle des Finanzamts Aalen tätig.
Ihre Argumentation beruht auf § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG. Danach sind «bei der Bewertung von Rückstellungen künftige Vorteile, die mit der Erfüllung der Verpflichtung voraussichtlich verbunden sein werden, wertmindernd zu berücksichtigen. Das gilt nur dann nicht, wenn diese künftigen Vorteile ohnehin als Forderung zu aktivieren sind; die Aktivierung hat Vorrang vor dem Abschlag bei der Bewertung der Rückstellung». Den Autoren darin zunächst Recht zu geben, dass Restrukturierungsmaßnahmen einen Nutzen haben werden. Nur unter diesem Aspekt werden Sie ja beschlossen und umgesetzt. Die Autoren fragen nun aber, ob ein derartiger Nutzen einen Vorteil im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG darstellt. Am Ende kommen Sie zum Ergebnis, dass verbesserte Unternehmensstrukturen, die sich künftig positiv auf die Kostenstruktur und damit den Gewinn des Unternehmens auswirken, zu solcehn Vorteilen zählen. «Folglich kann für Maßnahmen der Restrukturierung – mit Ausnahme von Sanierungen – wenn überhaupt, so nur im begrenzten Umfang eine Rückstellung in der Steuerbilanz gebildet werden.
Eine Einbeziehung in den Kompensationsbereich erfolgt gleichwohl nicht, wenn nur die Möglichkeit besteht, dass künftige Vorteile eintreten könnten. Die Abgrenzung zu den kompensatorischen Vorteilen eröffnet einen Beurteilungsspielraum, der eine umfassende Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles erfordert. Nach den bisherigen Erfahrungen in der Betriebsprüfung wird in der weit überwiegenden Anzahl an Fällen die wirtschaftliche Last aber vollumfänglich kompensiert. Dabei sind wiederkehrende Kostenvorteile mit ihrem Kapitalwert zu berücksichtigen.»
Dem ist WP/StB/RA Autenrieth in DStR 2015, 1937 entgegengetreten. Er kritisiert vor allem, dass der von Ziegler/Renner vertretene weite Vorteilsbegriff nicht nur Restrukturierungsrückstellungen betreffe. Vielmehr würde die konsequente Anwendung zur Versagung jeglicher Rückstellungsbildung führen. Nach Autenrieth muss es sich bei einem einzubeziehenden Vorteil um ein konkretes Anwartschaftsrecht auf einen Vermögensvorteil handeln. Ungewisse Geschäftschancen, Gewinnerwartungen, Aufwandsreduzierungen oder bloße KOsteneinsparungen stellten hingegen keinen Vorteil im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG dar. Entscheidend ist also Abgrenzung, welche grundsätzlichen (betriebswirtschaftlichen) Vorteile von der Kompensationsanordnung des Steuerrechts erfasst werden.
Prinz, zuständig für Grundsatzfragen in der Konzernsteuerabteilung der RWE AG, hatte bereits in DB 2015, 147 berichtet, die Restrukturierungsrückstellungen seien selbst dann «regelmäßig Diskussionsgegenstand in Betriebsprüfungen, […] wenn die Ansatzanforderungen der Finanzverwaltung für Restrukturierungsrückstellungen gem. R 5.7 Abs. 6 EStR erfüllt sind.» Es bestehe eine «Verwaltungstendenz zur ‹Atomisierung› der Restrukturierungsrückstellungen.»
Es ist zu erwarten, dass dieses Thema noch länger in der Diskussion bleiben wird. Für die Finanzverwaltung geht es im Rahmen der Betriebsprüfung um die (zumindest kurzfristige) Erzielung steuerlicher Mehrergebnisse in nicht unerheblicher Höhe. Der Aufsatz von Ziegler/Renner ist hierfür eine Steilvorlage. Dennoch zeigt Autenrieth, dass man dieser Ansicht mit guten Argumenten entgegen treten kann.