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EuGH § 8c Abs. 1a KStG kei­ne ver­bo­te­ne Beihilfe!

Es ist die lang erhoffte Sensation. Der EuGH hat die EU-Kommission in die Schranken gewiesen: Die Sanierungsklausel § 8c Abs. 1a KStG stellt keine verbotene Beihilfe dar!
Der Fall ist altbekannt. "Heitkamp Bauholding" - hier hat sich die Hartnäckigkeit des Insolvenzverwalters Dr. Dirk Andres ausgezahlt.

Hintergrund: Mantelkauf

Früher konnte man GmbH-Mäntel mit hohen Verlustvorträge erwerben und mit einem neuen Geschäftsbetrieb ausstatten. Dies führte dazu, dass Gewinne zunächst verrechnet wurden und keine Steuern zu zahlen waren. Diesen so genannten "Mantelkäufen" hat der Gesetzgeber mit § 8c KStG den Boden entzogen.

Seitedem gilt: Werden innerhalb von 5 Jahren mehr als 25 % der Anteile übertragen, gehen die Verlustvorträge in der Höhe des prozentualen Anteilsübergangs unter (37 % Anteilsübergang reduziert die Verlustvorträge also um 37 %). Werden aber mehr als 50 % übertragen, gehen die Verlustvorträge vollständig unter. Übertragungen bis zu 25 % sind unschädlich.

Nun ist die Beteiligung eines neuen Investors eine klassische Sanierungsmaßnahme. Ebenso sorgt die weitere Nutzbarkeit von Verlustvorträgen oftmals dafür, dass es in Sanierungsfällen überhaupt einen Käufer gibt, der das Unternehmen erwerben will. Daher schuf der Gesetzgeber mit § 8c Abs. 1a KStG eine spezielle Sanierungsklausel:

Für die Anwendung des Absatzes 1 ist ein Beteiligungserwerb zum Zweck der Sanierung des Geschäftsbetriebs der Körperschaft unbeachtlich. Sanierung ist eine Maßnahme, die darauf gerichtet ist, die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu verhindern oder zu beseitigen und zugleich die wesentlichen Betriebsstrukturen zu erhalten.

Die Erhaltung der wesentlichen Betriebsstrukturen setzt voraus, dass

1. die Körperschaft eine geschlossene Betriebsvereinbarung mit einer Arbeitsplatzregelung befolgt oder
2. die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen der Körperschaft innerhalb von fünf Jahren nach dem Beteiligungserwerb 400 Prozent der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet; § 13a Absatz 1 Satz 3 und 4 und Absatz 4 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes gilt sinngemäß; oder
3. der Körperschaft durch Einlagen wesentliches Betriebsvermögen zugeführt wird. Eine wesentliche Betriebsvermögenszuführung liegt vor, wenn der Körperschaft innerhalb von zwölf Monaten nach dem Beteiligungserwerb neues Betriebsvermögen zugeführt wird, das mindestens 25 Prozent des in der Steuerbilanz zum Schluss des vorangehenden Wirtschaftsjahrs enthaltenen Aktivvermögens entspricht. Wird nur ein Anteil an der Körperschaft erworben, ist nur der entsprechende Anteil des Aktivvermögens zuzuführen. Der Erlass von Verbindlichkeiten durch den Erwerber oder eine diesem nahestehende Person steht der Zuführung neuen Betriebsvermögens gleich, soweit die Verbindlichkeiten werthaltig sind. Leistungen der Kapitalgesellschaft, die innerhalb von drei Jahren nach der Zuführung des neuen Betriebsvermögens erfolgen, mindern den Wert des zugeführten Betriebsvermögens. Wird dadurch die erforderliche Zuführung nicht mehr erreicht, ist Satz 1 nicht mehr anzuwenden.

Keine Sanierung liegt vor, wenn die Körperschaft ihren Geschäftsbetrieb im Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs im Wesentlichen eingestellt hat oder nach dem Beteiligungserwerb ein Branchenwechsel innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren erfolgt.

Die Vorgeschichte

Am 26. Januar 2011 hatte die EU-Kommission beschlossen, dass § 8c Abs. 1a KStG nicht mit Art. 107, 108 Abs. 2 AEUV vereinbar sei. Es handele sich um eine verbotene Beihilfe (Beschluss der Kommission vom 26.1.2011 über die staatliche Beihilfe Deutschlands, C 7/2010 (ex CP 250/2009 und NN 5/2010), "KStG, Sanierungsklausel"). Die entscheidende Begründung findet sich in Randziffer 22:

Nach § 8c (1) KStG kann ein Unternehmen keinen Verlustvortrag vornehmen, wenn mehr als die Hälfte der Anteile übertragen werden, es sei denn, die Sanierungsklausel ist anwendbar. Somit besagt die allgemeine Regel, dass bei einem wesentlichen Anteilseignerwechsel der Verlustvortrag untergeht. Die bestehende Sanierungsklausel ist daher die Ausnahme zur allgemeinen Regel.

Im Beihilfeverfahren wies die Bundesrepublik Deutschland unter anderem darauf hin, dass § 8c Abs. 1a KStG eine allgemeine Maßnahme sei. Sie kann von allen Unternehmen unabhängig von deren Zugehörigkeit zu einer bestimmten Region, einem Produktionszweig oder Unternehmensgröße genutzt werden. Potentiell kann jedes Unternehmen ohne eigenen Einfluss in finanzielle Schwierigkeiten geraten und damit für die Anwendung der Regelung in Betracht kommen. Die Folge: "Fehlende Selektivität". Eine unzulässige Beihilfe liegt nämlich nur dann vor, wenn ein Staat bestimmte Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen bevorzugt und somit Einfluss auf das freie Spiel der Marktkräfte nimmt. Dies ergibt sich aus Art. 107 AEUV:

Soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

Der weitere Fortgang ist bekannt: Die Klage der Bundesrepublik Deutschland wurde einen Tag zu spät erhoben und war damit unzulässig. Dennoch hatten mehrere Unternehmen geklagt. Denn bei einer unzulässigen Beihilfe ist der Staat verpflichtet, diese rückgängig zu machen. Dabei gilt das Prinzip des "effet utile": Weder eine verbindliche Auskunft, noch Bestandskraft, Verjährung oder Vertrauen in größtmöglicher Form können verhindern, dass der erlangte Vorteil rückgängig gemacht werden muss.

Im Jahr 2016 kam es dann zu ersten Urteilen des "Gerichts der Europäischen Union" (EuG), der ersten Instanz der europäischen Gerichtsbarkeit. Die Unternehmen verloren ihre Klagen. Die Sichtweite der EU-Kommission wurde bestätigt: Es ist eine selektive Bevorzugung derjenigen Unternehmen, die in eine Krise geraten.

Die Entscheidung des EuGH: § 8c Abs. 1a KStG keine verbotene Beihilfe!

Die Entscheidung hatte sich angekündigt, denn der Generalanwalt war in seiner empfehlenden Stellungnahme ebenfalls davon ausgegangen, dass keine verbotene Beihilfe gegeben sei. Wir hatten hierzu am 18. Feburar 2018 berichtet.

Die Leitsätze 2 und 3 des Urteils (EuGH (Zweite Kammer), Urteil vom 28. Juni 2018, C-203/16 P):

2. Die Nrn. 2 und 3 des Tenors des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 4. Februar 2016, Heitkamp BauHolding/Kommission (T‑287/11, EU:T:2016:60), werden aufgehoben.

3. Der Beschluss 2011/527/EU der Kommission vom 26. Januar 2011 über die staatliche Beihilfe Deutschlands C 7/10 (ex CP 250/09 und NN 5/10) „KStG, Sanierungsklausel“ wird für nichtig erklärt.

Die entscheidenden Punkte aus den Urteilsgründen:

Rz. 103: Wie auch der Generalanwalt in Nr. 109 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, geht jedoch aus der in den Rn. 90 bis 93 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass die Selektivität einer steuerlichen Maßnahme anhand eines Referenzsystems, das aus einigen Bestimmungen besteht, die aus einem breiteren rechtlichen Rahmen künstlich herausgelöst wurden, nicht zutreffend beurteilt werden kann. Durch den Ausschluss der allgemeinen Regel des Verlustvortrags von dem im vorliegenden Fall maßgebenden Referenzsystem hat das Gericht somit dieses System offensichtlich zu eng definiert.

Rz. 106: Nach alledem ist der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes von HBH begründet, ohne dass insoweit die übrige zu seiner Stützung vorgebrachte Argumentation geprüft zu werden braucht. Ferner ist festzustellen, dass das Gericht auf der Grundlage seiner rechtsfehlerhaften Würdigung, wonach die Kommission mit ihrer Feststellung, dass das im vorliegenden Fall für die Beurteilung des selektiven Charakters der streitigen Maßnahme maßgebende Referenzsystem allein aus der Regel des Verfalls von Verlusten bestehe, keinen Fehler begangen habe, das weitere Vorbringen von HBH geprüft hat, mit dem zum einen das Fehlen eines prima facie selektiven Charakters der streitigen Maßnahme und zum anderen ihre Rechtfertigung mit der Natur und dem Aufbau des Steuersystems dargetan werden sollte.

Ausblick und Einschätzung

Das Urteil ist eine Sensation. Zum einen herrscht nach vielen Jahren der Rechtsunsicherheit nun endlich Gewissheit. Allerdings wird man sich erst einmal wieder auf die nun wieder möglichen Maßnahmen einstellen müssen. § 8c Abs. 1a KStG steht noch im Gesetz. § 34 Abs. 6 KStG hatte nur seine Anwendbarkeit ausgesetzt. Diese Aussetzung erlischt mit Rechtskraft der EuGH-Entscheidung. § 8c Abs. 1a KStG kann dann auf alle noch nicht bestandskräftigen Sachverhalte angewendet werden. Hier gilt das "effet utile"-Prinzip leider nicht zugunsten des Steuerpflichtigen. Wer versäumt hat, seinen Fall offen zu halten, geht leer aus.

Spannend wird aber auch, wie sich dieses Urteil auf die weitere Beihilfe-Diskussion auswirken wird. So steht die gesetzliche Regelung zur Kodifizierung des Sanierungserlasses unter dem Vorbehalt der beihilferechtlichen Freigabe. Hier gibt es ähnliche Fragen. Es ist zu hoffen, dass dies den ersehenten Durchbruch bringt. Denn zuletzt schwanden die Hoffnungen auf eine Freigabe aus Brüssel zusehends.

Quellen

Die Regelung, um die es hier geht ist § 8c Abs. 1a KStG. Die Anwendungsregelung finden Sie in § 34 Abs. 6 KStG.

Das Urteil im Volltext finden Sie auf der Internetseite "Curia" des Europäischen Gerichtshofs: EuGH (Zweite Kammer), Urteil vom 28. Juni 2018, C-203/16 P

Dem zugrunde liegen die Schlussanträge des Generalanwalts Nils Wahl vom vom 20. Dezember 2017(1).

Verfügbar ist auch der Rechtsmittelantrag des Insolvenzverwalters vom 12. April 2016: EuGH (Zweite Kammer), Urteil vom 28. Juni 2018, C-203/16 P

Den Volltext der Vorinstanz finden Sie hier: EuG (Neunte Kammer), Urteil vom 4. Februar 2016, T-287/11


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Sanie­rungs­klau­sel § 8c Abs. 1a KStG kei­ne ver­bo­te­ne Beihilfe?!?

Schlussanträge in Luxemburg: Generalanwalt sieht in § 8 Abs. 1a KStG keine verbotene Beihilfe

§ 8c KStG kann man durchaus als eines der Sorgenkinder im Sanierungssteuerrecht bezeichnen. Regelmäßig sind die Vorschriften zur Verlustverrechnung Gegenstand von Urteilen, die hierin eine Verfassungswidrigkeit oder auch eine verbotene europäische Biehilfe sehen. Genauso häufig waren die Gesetzesänderungen, um die Verlustverrechnung zu beschränken (man denke noch an die alten Mantelkauf-Zeiten), zu reparieren oder zu ergänzen (so zuletzt durch die Einführung des § 8d KStG).

Die Sanierungsklausel des § 8 Abs. 1a KStG - was regelt er?

§ 8 Abs. 1a KStG lautet:

Für die Anwendung des Absatzes 1 ist ein Beteiligungserwerb zum Zweck der Sanierung des Geschäftsbetriebs der Körperschaft unbeachtlich. Sanierung ist eine Maßnahme, die darauf gerichtet ist, die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu verhindern oder zu beseitigen und zugleich die wesentlichen Betriebsstrukturen zu erhalten.

Die Erhaltung der wesentlichen Betriebsstrukturen setzt voraus, dass

1. die Körperschaft eine geschlossene Betriebsvereinbarung mit einer Arbeitsplatzregelung befolgt oder
2. die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen der Körperschaft innerhalb von fünf Jahren nach dem Beteiligungserwerb 400 Prozent der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet; § 13a Absatz 1 Satz 3 und 4 und Absatz 4 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes gilt sinngemäß; oder
3. der Körperschaft durch Einlagen wesentliches Betriebsvermögen zugeführt wird. Eine wesentliche Betriebsvermögenszuführung liegt vor, wenn der Körperschaft innerhalb von zwölf Monaten nach dem Beteiligungserwerb neues Betriebsvermögen zugeführt wird, das mindestens 25 Prozent des in der Steuerbilanz zum Schluss des vorangehenden Wirtschaftsjahrs enthaltenen Aktivvermögens entspricht. 3Wird nur ein Anteil an der Körperschaft erworben, ist nur der entsprechende Anteil des Aktivvermögens zuzuführen. Der Erlass von Verbindlichkeiten durch den Erwerber oder eine diesem nahestehende Person steht der Zuführung neuen Betriebsvermögens gleich, soweit die Verbindlichkeiten werthaltig sind. 5Leistungen der Kapitalgesellschaft, die innerhalb von drei Jahren nach der Zuführung des neuen Betriebsvermögens erfolgen, mindern den Wert des zugeführten Betriebsvermögens. Wird dadurch die erforderliche Zuführung nicht mehr erreicht, ist Satz 1 nicht mehr anzuwenden.

Keine Sanierung liegt vor, wenn die Körperschaft ihren Geschäftsbetrieb im Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs im Wesentlichen eingestellt hat oder nach dem Beteiligungserwerb ein Branchenwechsel innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren erfolgt

Grundsätzlich führen Anteilsübertragungen zum anteiligen Verlust von Verlustvorträgen, wenn innerhalb von 5 Jahren mehr als 25 % der Anteile übertragen werden. Werden mehr als 50 % übertragen, entfallen die Verlustvorträge sogar vollständig. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber den früher verbreiteten Handel mit Verlustmänteln eindämmen.

Der Untergang des künftigen Steuersparpotentials, welches in Verlustvorträgen steckt, mindert den Wert eines Unternehmens jedoch ganz erheblich. Dies traf vor allem Unternehmen, die zur Sanierung auf einen neuen Kapitalgeber angewiesen waren. Regelmäßig liegt dann eine niedrige Unternehmensbewertung vor, so dass die schädlichen Beteiligungsquoren schnell erreicht werden. Oftmals ist eine komplette Übernahme, mindestens jedoch die Kontrollmehrheit, auch konkretes Ziel um die weiter erforderlichen Sanierungs- und Investitionsbeiträge zu rechtfertigen.

Daher wurde § 8c KStG in der letzten Finanzkrise um eine so genannte "Sanierungsklausel" ergänzt.

EU-Kommission: Verbotene Beihilfe

DIE EU-Kommission sah nicht nur in der Ausnahmevorschrifte des § 8 Abs. 2 KStG, sondern auch in diesem § 8c Abs. 1a KStG eine verbotene Beihilfe. Auf der Internetseite der EU finden Sie den Beschluss der EU-Kommission vom 26. Januar 2011 "über die staatliche Beihilfe Deutschlands C 7/10 (ex CP 250/09 und NN 5/10) „KStG, Sanierungsklausel“.

Klagen und Wehklagen

Gegen diese Entscheidung hatte die Bundesrepublik geklat und eine bittere Niederlage einstecken müssen: Ihre Klage war um einen Tag verspätet und damit unzulässig. Die Hoffnung der Steuerpflichtigen ruht seitem auf den insgesamt 14 Klagen von Unternehmen, die ebenfalls Klage vor dem EuG (dem europäischen Gericht erster Instanz) eingereicht hatten.

Doch auch hier wurden die Steuerpflichtigen zunächst enttäuscht: In zwei ersten Entscheidung bestätigte das EuG die Sichtweise der EU-Kommission: § 8 Abs. 1a KStG stelle eine verbotene Beihilfe dar.

Das aktuelle Verfahren "Heitkamp BauHolding"

Eine Klägerin die "Heitkamp BauHolding GmbH" ist heute insolvent. Die Problematik um die Möglichkeit zur steuerpsarenden Verlustverrechnung dürfte dabei eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben. Die Tageszeitung "Der Westen" berichtet am 22. November 2011: "Die Gründe für die Insolvenz bleiben für Außenstehende schleierhaft. Laut Unternehmen gibt es immer noch „erhebliche Altlasten“ aus der Insolvenz der Bergbau-Tochter Deilmann-Haniel aus dem Jahr 2007. Das Unternehmen darf nach einem neuen Steuerrecht Gewinne und Verluste nicht mehr so wie bisher verrechnen.. Immerhin: Es gelang dem Insolvenzverwalter Dirk Andres die Tochtergesellschaften zu veräußern und die über 1.000 Arbeitsplätze zu erhalten. Er führt die Klage nunmehr fort.

Nach der mündlichen Verhandlung am 19. Oktober 2017 hat der schwedische Generalanwalt am EuGH, Nils Wahl, seine Schlussanträge vorgelegt.

Die Kernaussagen der Schlussanträge

Generalanwalt Nils Wahl kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass es sich bei § 8c Abs. 1a KStG nicht um eine verbotene Beihilfe handelt!

Hintergrund der Diskussion ist seit jeher die richtige Vergleichsgröße. Denn eine verbotene Beihilfe stellt folgende Frage: Werden bestimmte Unternehmen vor anderen bevorzugt? Solche Bevorzugungen durch staatliche Stellen sind unter dem Blickwinkel eines freien Marktes unerwünscht, wenn sie Auswirkungen auf den Wettbewerb der Unternehmen haben.

Generalanwalt Wahl folgt nun vielen Stimmen aus der Literatur: Vergleichsmaßstab sei der Grundfall, nachdem Unternehmen ihre Verluste vortragen können. Damit stellt die Verlustabzugsbeschränkung des § 8c Abs. 1 KStG eine Ausnahme dar. § 8c Abs. 1a KStG stellt hingegen "nur" den Ausgangszustand (Abzugsmöglichkeit) wieder her. Damit fehle es an der erforderlichen "Selektivität", um eine verbotene Beihilfe zu begründen.

Die EU-Kommission und auch der EuG hatten hingegen die eingeschränkte Verlustnutzung nach § 8c Abs. 1 KStG als Grundfall angesehen. Von dieser Ausgangsbasis aus sahen sie in § 8c Abs. 1a KStG eine Ausnahme, die nur bestimmten Unternehmen zu Gute komme. Dies wäre dann geeignet, eine verbotene Behilfe zu begründen.

Ausblick

Die grundsätzliche Frage, welches der richtige Referenzrahmen ist, spielt für zahlreiche Sanierungsthemen eine große Rolle. Dies betrifft nicht nur weitere Fragen rund um die Nutzung von Verlustvorträgen. Auch der Sanierungserlass (und seine gesetzliche Nachfolgeregelung) wird von der EU-Kommission kritisch beäugt, da er - je nach Sichtweise - nur bestimmten Unternehmen staatliche Vorteile gewährt.

Zunächst war zu befürchten, dass sich die Entscheidung des EuGH an denen des EuG orietieren wird. Die Schlussanträge des Generalanwalts Wahl haben die Karten neu gemischt. In jedem Fall wird der EuGH als letzte Instanz für eine lange vermisste Klarheit sorgen. Es bleibt zu wünschen, dass die Entscheidung darüber hinaus auch wichtige Sanierungsinstrumente im deutschen Sanierungssteuerrecht neu beleben wird.


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Ver­lust­vor­trä­ge – § 8d KStG verabschiedet

Kurz vor Weihnachten wurde mit dem neuen § 8d KStG ein neuer "fortführungsgebundener Verlustvortrag" eingeführt. Hierdurch wird eine weitere Nutzung von Verlustvorträgen ermöglicht, auch wenn die Grenzen der unschädlichen Anteilsübertragung nach § 8c KStG überschritten werden. Erforderlich ist jedoch, dass der Geschäftsbetrieb erhalten bleibt.

Die Gesetzgebungsmaterialien zum "Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften" vom 20. Dezember 2016 (BT-Drs. 18/10495, BGBl. Teil I 2016, S. 2998b) können wie beim Dokumentations- und Informationssystem (DIP) des Deutschen Bundestages einsehen.

Die Neuregelung gilt rückwirkend für alle schädlichen Beteiligungserwerbe nach dem 31. Dezember 2015 (§ 34 Abs. 6a KStG).


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Steu­er­li­che Ver­lust­ver­rech­nung – Stel­lung­nah­me des Bundesrates

Die Bundesregierung plant, die steuerliche Verlustverrechnung durch Einführung eines neuen § 8d KStG-E weiterzuentwickeln. Das Gesetzgebungsverfahren läuft auf vollen Touren.

Verlustverrechnung - Stellungnahme des Bundesrat

Am 4. November 2016 hat nun der Bundesrat eine Stellungnahme zu dem "Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften" beschlossen (BR-Drs. 544/16 vom 4. November 2016).

Nach Ansicht des Bundesrates kann der Wortlaut in dem Gesetzentwurf in bestimmten Fallkonstellationen deutlich über sein eigentliches Ziel hinausschießen und eröffnet erhebliches Gestaltungspotenzial. Der Bundesrat bittet daher, im weiteren Gesetzgebungsverfahren einige Punkte noch einmal zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Unter anderem adressiert er folgende Punkte:

  • Verhinderung der Verrechnung von Verlusten, die aus der Zeit vor einer Einstellung oder Ruhendstellung eines Geschäftsbetriebs stammen
  • Verhinderung von Gestaltungen, bei denen im Veranlagungszeitraum des schädlichen Anteilseignerwechsels stille Reserven (z. B. über Buchwerteinbringungen) "künstlich" geschaffen werden
  • Eine Klarstellung der Begriff, insbesondere des "Geschäftsbetriebs" soll für mehr Planungssicherheit sorgen. Die Unsicherheit, ob die Voraussetzungen des § 8d KStG-E auch in Zukunft erfüllt werden, kann dazu führen, dass von der Vorschrift gar kein Gebrauch gemacht wird. Dies bestritt insbesondere auch junge Technologieunternehmen, die in ihrer frühen Entwicklungsphase häufig sowohl Produktionsprozesse als auch Produktdesigns anpassen, ohne ihr originäres Geschäftsmodell zu verändern. Ob es sich dabei aber um eine unschädliche Weiterentwicklung desselben Geschäftsbetriebs handelt, ist derzeit für den Gesetzesanwender nicht verlässlich einzuschätzen.

Insgesamt begrüßt der Bundesrat aber das Vorhaben der Bundesregierung, die steuerliche Verlustverrechnung bei Körperschaften neu auszurichten, um damit die Rahmenbedingungen für die Kapitalausstattung und das weitere Wachstum insbesondere junger Unternehmen mit innovativen Geschäftsmodellen zu verbessern.

Anmerkung

Aus Sicht junger Technologieunternehmen ist der Gesetzesvorstoß zu begrüßen. Die Bundesregierung hatte im Rahmen des BilMoG bereits versucht, neue Investitionsanreize für Investoren zu schaffen. erreichen wollte man dies durch die Möglichkeit, selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens zu aktivieren. Eine umfassende Untersuchung von Kreide (Selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände im Recht der Rechnungslegung junger Technologieunternehmen, NOMOS 2014) hat aber gezeigt, dass dieser Ansatz keinen Erfolg haben konnte. Zugleich hat er dem gläubigerschutzorigentierten HGB zahlreiche Ideen eingepflanzt, die aus den IFRS stammen und sich erwartungsgemäß nur schwerlich in die bewährte Handhabung der HGB-Bilanzierung einfügen. Die Förderung auf steuerlicher Ebene ist der bessere Ansatz. Dennoch zeigt die frühe Diskussion im Gesetzgebungsverfahren, welche Hürden eine erfolgreiche Regelung nehmen muss: Auf der einen Seite muss die Förderung eine rechtssichere Planung ermöglichen. Auf der anderen Seite muss der Gesetzgeber missbräuchliche Gestaltungen verhindern.


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Reform der steu­er­li­chen Verlustverrechnung

Gesetzentwurf zur Neuausrichtung der steuerlichen Verlustverrechnung

Gestern wurde der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur "Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften" veröffentlicht: Download Gesetzentwurf Inzwischen liegt auch eine erste Stellungnahme der Bundesrats-Ausschüsse vor.

Der Gesetzgeber spricht hier von einer "Neuausrichtung" der steuerlichen Verlustverrechnung. Kommt also ein großer Wurf?

Die Verlustverrechnung war aus fiskalpolitischen Gründen immer weiter eingeschränkt worden. Insbesondere der Handel mit GmbH-Verlustmänteln sollte eingedämmt werden. Den ursprünglich war es möglich, einen operativ erfolglosen Geschäftsbetriebs stillzulegen und die Verluste für andere, profitable Unternehmen nutzbar zu machen.

Derzeitige Rechtslage

Bis heute gilt, dass Verlustvorträge vollständig entfallen, wenn mehr als 50 % der Anteile übertragen werden (§ 8c KStG). Erwerbe innerhalb von 5 jahren werden zusammengezählt. Anteilsübertragungen bis zu 25 % haben keine Auswirkungen. Dazwischen gilt: Der Prozentsatz der übertragenen Anteile wird auch beim Verlustvortrag gekürzt. Eine Übertragung von 37 % führt somit dazu, dass 37 % der Verlustvorträge untergehen. Es gibt Ausnahmen: Für Übertragungen im Konzern und wenn im Unternehmen ausreichend hohe stille Reserven vorhanden sind. Eine dritte Ausnahme für Sanierungsfälle (§ 8c Abs. 1a) ist hingegen aufgrund europarechtlicher Bedenken unanwendbar. Die EU-Kommission sah hierin eine EU-rechtwidrige Beihilfe und hat sich mit dieser Sicth auch in einem ersten Urteil des Europäischen Gerichtshofs durchgesetzt.

Zwei Unternehmensbereiche trifft die Verlustbeschränkung besonders hart: Zum einen "start-ups". Diese haben anfänglich sehr hohe Entwicklungskosten bei geringen Umsätzen. Diese Anlaufverluste können vorgetragen werden, um mit späteren Gewinnen verrechnet zu werden. Klassischerweise lassen sich junge Unternehmen aber nur mit Eigenkapital finanzieren. Bankdarlehen sind für solche riskanten Entwicklungsstrategien regelmäßig nicht zu erlangen. Es kommt also zwingend zu mehreren Finanzierungsrunden und damit früher oder später zum Untergang der Verlustvorträge.

Ebenso betroffen sind Sanierungsfälle. Diese sind ebenfalls auf den Einstieg von Investoren angewiesen. Daneben sehen viele Sanierungskonzepte die Wandlung von Fremd- in Eigenkapital vor (Debt-Equity-Swap). Um den Untergang von Verlustvorträgen zu vermeiden, wurde in der Praxis teilweise eine Gestaltung über einen Debt-Mezzanine-Swap versucht. Sofern der Mezzanine steuerlich noch als Fremdkapital zu qualifizieren ist, kommt es steuerlich nicht zum Anteilseigenerwechsel. Die Finanzverwaltung hat sich jedoch erst im Frühjahr auf die Linie eingeschossen, derartige Gestaltungen nicht mehr anzuerkennen (wir hatten berichtet).

Einführung eines "fortführungsgebundenen Verlustvortrags" (§ 8d KStG-E)

Der geplante § 8d KStG regelt nach dem derzeitigen Gesetzentwurf, dass der Untergang von Verlustvorträgen nach § 8c KStG nicht greift, wenn der Geschäftsbetieb fortgeführt wird. Es muss ein Antrag gestellt werden.

Der Gesetzentwurf zählt eine Reihe von schädlichen Fällen auf, etwa der Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrages oder die Aufnahme eines zusätzlichen Geschäftsbetriebs.

Der Bundesrat befürchtet, dass der Gesetzentwurf in bestimmten Fällen über sein eigentliches Ziel hinausschießen kann und es doch wieder zu der fiskalisch gefürchteten Nutzbarkeit von Verlustmändeln kommt (vgl. Empfehlungen der Ausschüsse, BR-Ds. 544/1/16/1 vom 21. Oktober 2016). Der Bundesrat schlägt daher eine Reihe von Änderungen vor, die vor allem rückwirkende Begünstigungen im Blick haben.

Daneben begrüßt der Bundesrat aber die Förderung von Wagniskapital und start-ups. Richtigerweise fordert er daher eine Klarstellung, wann es sich um eine unschäftliche Geschäftserweiterung und wann um eine schädliche Aufnahme eines zusätzlichen Geschäftsbetriebs handelt.

Anwendbarkeit

Der neue § 8d KstG-E soll für alle Übertragungen nach dem 31. Dezember 2015 zur Anwendung kommen - also rückwirkend.

Regelungsabsicht

Mit der Neuregelungen sollen steuerliche Hemmnisse bei der Unternehmensfinanzierung vermieden werden. Solange derselbe Geschäftsbetrieb fortgeführt wird, soll auch eine Verlustnutzung möglich bleiben. Auf die Frage des Anteilseignerwechsels kommt es dann nicht mehr an.

Erstes Fazit: Hilfreich, wenn es einfach handhabbar ist

Für viele Unternehmen kann die Regelung zu einer deutlichen Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten führen. Denn nutzbare Verlustvorträge sind letztlich Steuerersparnis und damit ein Wert, für den ein Investor zahlt. Bei start ups wird die Finanzierungswirklichkeit gewürdigt. Dort geht es nicht ohne Finanzierungsrunden, bei denen Anteilseigner in erheblichem Umfang hinzukommen.

Zweites Fazit: Es gibt auch eine Kehrseite!

Umgekehrt führt der Wegfall des Geschäftsbetriebs aber auch zu einem Untergang der Verlustvorträge, wenn kein Anteilseignerwechsel stattfindet. Da § 8c KStG weiterhin bestehen bleibt, gibt es nun einen weiteren Fallstrick, den man im Auge behalten muss. Der Entwurf von § 8d Abs. 2 Nr. 1 KStG-E sieht vor, dass die Verlustvorträge untergehen, wenn der Geschäftsbetriebs ruhend gestellt wird. In Sanierungssituationen wird spannend werden, was die Finanzverwaltung aus diesem Kriterium macht.

Vor allem? Was ist ein "Geschäftsbetrieb"? Wünschenswert wäre, dass der Begriff "Geschäftsbetriebseinstellung" präzisiert wird. Hier besteht eine große Gefahr, dass eine spätere Betriebsprüfung zu einem anderen Ergebnis kommt. Andererseits führt die Forderung nach einer unveränderten Fortführung faktisch dazu, dass sich das Unternehmen Marktveränderungen nicht mehr anpassen kann, ohne seine Verlustvorträge zu riskieren. Hier stellt sich die Frage: Wieviel "alter" Geschäftsbetrieb muss noch übrig bleiben, wieviel Neues darf hinzukommen, damit man noch vom "bisherigen Geschäftsbetrieb" im Sinne des Gesetzes (und dessen Absichten, Investitionen und Expansion zu fördern!) sprechen kann?

Ausblick: Verlustbesteuerung in Bewegung

Neben der Neuregelung des § 8d KStG wird im BMF ein Entwurf eines BMF-Schreibens zur "Verlustabzugsbeschränkung bei Körperschaften" diskutiert. Dort veröffentlicht die Finanzverwaltung erstmals Hinweise zu ihrer Interpretation der Ausnahmen für Konzerne und bei stillen Reserven. Ebenfalls erläutert wird die Sichtweise zum unterjährigen Beteiligungserwerb. Hierzu hat das Finanzgericht Münster erst kürzlich entscheiden (Urteil vom 21. Juli 2016, 9 K 2794/15 K,F). Entgegen der Verwaltungsauffassung ließ das Finanzgericht einen Verlustrücktrag zu. Es argumentierte, dass § 8c Abs. 1 KStG nur den Handel mit Verlustmänteln verhindern will. Beim Verlustrücktrag liegt keine personelle Veränderung vor. Wirtschaftlich nutzen durch den Rücktrag nur diejenigen den Verlust, die ihn während ihrer Beteiligungszeit auch "miterwirtschaftet" hatten.

Weitergehende Informationsquellen

Auf den Seiten des Dokumentations- und Informationssystems DIP des Deutschen Bundestages finden Sie unter Deutscher Bundestag: Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften Informationen zum Gesetzgebungsverfahren und die entsprechenden Entwürfe.

Alternativ finden Sie Informationen zum Gesetzgebungsverfahren auch auf der Seite des Bundesrates unter Bundesrat: Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften. Aktuell finden Sie dort neben dem Gesetzentwurf der Bundesregierung auch die Empfehlungen der Ausschüsse (Bundesrats-Drucksache 544/1/16 vom 21. Oktober 2016). Die Empfehlungen dienen zur Vorbereitung der Bundesratssitzung am 4. November 2016. Sofern keine unlösbaren Streitpunkte mehr aufkommen ist also damit zu rechnen, dass das Gesetz noch dieses Jahr verabschiedet wird.


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8. Mai 2023 - Seite 1 von 1